Herr Blin, welche Erinnerungen haben Sie an den 26.
Dezember 1971?
Ich weiss noch jedes Detail, als wäre es gestern gewesen. Ich sehe noch immer die rechte Gerade von Ali kommen.
Die rechte Gerade, durch die Sie in der 7. Runde k.o. gingen.
Ja, vielleicht hätte ich weiterboxen können, aber es wäre unvernünftig gewesen. Ali war so viel besser, ein
Klasseboxer.
Was wäre passiert, hätten Sie den Kampf gewonnen?
Ich hätte danach gegen Joe Frazier geboxt. Das hätte mir aber Angst gemacht. Frazier hatte einen fürchterlichen Bumms.
Gab es Geld für die K.o.-Niederlage gegen Ali?
Ja, die Börse war gut. Ich bekam 180 000 Deutsche Mark. Das war damals viel Geld.
Wie viel Geld verdienten Sie insgesamt in Ihrer langen Karriere?
Rund eine Million Mark. Lächerlich, wenn man bedenkt, dass heute jeder Durchschnittsfussballer ein
Millionenjahresgehalt kassiert.
Wie viel Geld ist Ihnen geblieben?
Ich nage nicht am Hungertuch. Aber ich habe durch eine Bürgschaft einst 800 000 Mark verloren. Man macht halt Fehler im Leben, aber
ich bin ein Kämpfer und bin wieder aufgestanden.
Stört es Sie, dass Sie trotz langer Karriere auf diesen einen Kampf gegen Ali reduziert werden?
Nein, wenn ich den Leuten sage, dass ich gegen Ali geboxt habe, gehen
Türen auf. Speziell in den USA, da werden alle ganz ehrfürchtig. Im Flugzeug wurde ich einst augenblicklich in die First Class umgebucht.
Ali ist schwer krank. Wie sieht es mit Ihrer Gesundheit aus?
Mir geht es körperlich und geistig sehr gut. Ich jogge zweimal pro Woche, und ich steige auch noch selber in
den Ring, habe da ein paar Jungs, die ich in Hamburg trainiere und betreue.
Wie stark berührt Sie das Schicksal von Ali?
Das ist sehr sehr traurig. Ali ist eine Ikone. Er hat leider ein paar Kämpfe zu viel gemacht. Aber Parkinson hätte er auch
ohne Boxen bekommen können.
Würden Sie alles genauso machen und wieder Boxer werden?
Oh ja. Boxen hat mich aus dem Dreck geholt. Das, was ich immer wollte: raus aus dem Dreck. Wir hatten ja nichts zu Hause. Ich musste alles selber machen. Als ich meinem Vater sagte, dass ich
boxen will, hat er die Flasche gehoben und «Prost» gelallt. So war das. Es hat ihn nicht interessiert.
Sie waren Deutscher Meister und Europameister, hätten Sie noch mehr erreichen können?
Als ich meine Lehre als Fleischer machte und deswegen mal nicht ins Training
konnte, heulte ich. Verstehen Sie? Ich habe immer alles gegeben und mir alles mit Fleiss und Disziplin erarbeitet. Mehr lag nicht drin. Aber mein Sohn Knut hätte es weit bringen können, bis
zum Weltmeister.
Was ist passiert?
Er hatte beste Voraussetzungen, war talentiert. Doch er war auch schwer krank, manisch depressiv. Vollgestopft mit Tabletten nahm er sich 2004 mit 36
Jahren das Leben.
Ein harter Schlag für Sie als Vater.
Du kannst nichts tun gegen diese Krankheit, nur hilflos zuschauen. Das ist brutal hart.
Welches ist die Botschaft an die Jungen, die Sie trainieren?
Dass man mit Wille und Disziplin alles erreichen kann. Aber die wenigstens sind heute bereit, an die Grenzen
zu gehen und darüber hinaus. Es geht ihnen zu gut.
Hat man mit 71 noch Träume?
Ich träume davon, dass es einer aus der Gruppe schafft und ich ihn begleiten kann in eine Karriere als Boxer.
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