Jürgen Blin kämpfte 1971 in Zürich gegen Muhammad Ali. Er musste auch im Leben viel Einstecken.


«Als wäre es gestern gewesen»

1971 forderte der Deutsche im Hallenstadion Muhammad Ali heraus – und ging k.o. 43 Jahre später kehrt er an den Ort zurück, der ihn berühmt machte.

Herr Blin, welche Erinnerungen haben Sie an den 26. Dezember 1971?
Ich weiss noch jedes Detail, als wäre es gestern gewesen. Ich sehe noch immer die rechte Gerade von Ali kommen.
Die rechte Gerade, durch die Sie in der 7. Runde k.o. gingen.
Ja, vielleicht hätte ich weiterboxen können, aber es wäre unvernünftig gewesen. Ali war so viel besser, ein Klasseboxer.
Was wäre passiert, hätten Sie den Kampf gewonnen?
Ich hätte danach gegen Joe Frazier geboxt. Das hätte mir aber Angst gemacht. Frazier hatte einen fürchterlichen Bumms.
Gab es Geld für die K.o.-Niederlage gegen Ali?
Ja, die Börse war gut. Ich bekam 180 000 Deutsche Mark. Das war damals viel Geld.
Wie viel Geld verdienten Sie insgesamt in Ihrer langen Karriere?
Rund eine Million Mark. Lächerlich, wenn man bedenkt, dass heute jeder Durchschnittsfussballer ein Millionenjahresgehalt kassiert.
Wie viel Geld ist Ihnen geblieben?
Ich nage nicht am Hungertuch. Aber ich habe durch eine Bürgschaft einst 800 000 Mark verloren. Man macht halt Fehler im Leben, aber ich bin ein Kämpfer und bin wieder aufgestanden.
Stört es Sie, dass Sie trotz langer Karriere auf diesen einen Kampf gegen Ali reduziert werden?
Nein, wenn ich den Leuten sage, dass ich gegen Ali geboxt habe, gehen Türen auf. Speziell in den USA, da werden alle ganz ehrfürchtig. Im Flugzeug wurde ich einst augenblicklich in die First Class umgebucht.
Ali ist schwer krank. Wie sieht es mit Ihrer Gesundheit aus?
Mir geht es körperlich und geistig sehr gut. Ich jogge zweimal pro Woche, und ich steige auch noch selber in den Ring, habe da ein paar Jungs, die ich in Hamburg trainiere und betreue.
Wie stark berührt Sie das Schicksal von Ali?
Das ist sehr sehr traurig. Ali ist eine Ikone. Er hat leider ein paar Kämpfe zu viel gemacht. Aber Parkinson hätte er auch ohne Boxen bekommen können.
Würden Sie alles genauso machen und wieder Boxer werden?
Oh ja. Boxen hat mich aus dem Dreck geholt. Das, was ich immer wollte: raus aus dem Dreck. Wir hatten ja nichts zu Hause. Ich musste alles selber machen. Als ich meinem Vater sagte, dass ich boxen will, hat er die Flasche gehoben und «Prost» gelallt. So war das. Es hat ihn nicht interessiert.
Sie waren Deutscher Meister und Europameister, hätten Sie noch mehr erreichen können?
Als ich meine Lehre als Fleischer machte und deswegen mal nicht ins Training konnte, heulte ich. Verstehen Sie? Ich habe immer alles gegeben und mir alles mit Fleiss und Disziplin erarbeitet. Mehr lag nicht drin. Aber mein Sohn Knut hätte es weit bringen können, bis zum Weltmeister.
Was ist passiert?
Er hatte beste Voraussetzungen, war talentiert. Doch er war auch schwer krank, manisch depressiv. Vollgestopft mit Tabletten nahm er sich 2004 mit 36 Jahren das Leben.
Ein harter Schlag für Sie als Vater.
Du kannst nichts tun gegen diese Krankheit, nur hilflos zuschauen. Das ist brutal hart.
Welches ist die Botschaft an die Jungen, die Sie trainieren?
Dass man mit Wille und Disziplin alles erreichen kann. Aber die wenigstens sind heute bereit, an die Grenzen zu gehen und darüber hinaus. Es geht ihnen zu gut.
Hat man mit 71 noch Träume?
Ich träume davon, dass es einer aus der Gruppe schafft und ich ihn begleiten kann in eine Karriere als Boxer.

Publiziert im Blick vom 30. August 2014 / Patrick Mäder

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