Holyfield kämpft in Zürich gegen Valuev


Am 20. Dezember 2008 kämpft Evander Holyfield (46) gegen den russischen Riesen Nikolai Valuev (35) im Zürcher Hallenstadion. Wer einen alternden Ex-Champ erwartet, sieht sich getäuscht. Holyfield ist körperlich und geistig topfit. Der elffache Familienvater füllt sich am Hilton-Buffet den Frühstücks-teller. Ich staune: Fünf Würstchen, Rührei
mit Speck, acht Dosenaprikosen, sechs Buttergipfel, Salat... Dieser Mann ist hungrig.

Der Duft der grossen Zeiten

Wer gestern im Hallenstadion eine Zirkusnummer erwartete, hat sich getäuscht. Holyfield gegen Valuev bot grossen Sport. Mit dem Box-Opa als Überraschung und dem Riesen als ungeliebten Sieger.
Holyfield führt uns mit seinem austrainierten Körper, seiner souveränen Mimik, seiner Legende tatsächlich vor, dass es auch mit 46 Jahren möglich ist zum fünften Mal Weltmeister zu werden. Und wir ziehen den Duft der grossen Zeiten im Schwergewichtsboxen, den der Amerikaner versprüht, wie Süchtige rein. 12 500 Zuschauer im Hallenstadion peitschen den Amerikaner nach vorne. Holyfield hoch konzentriert, durchtrainiert bis auf den letzten Muskel. 46-jährig? Wer würde es ihm geben.
Zwölf Runden kämpft Evander Holyfield wie ein Tier im Ring. Unzähmbar, unermüdlich, selbstbewusst. Die Legende? Er macht ihr alle Ehre. Er bewegt sich nach links, nach rechts. Der statisch wirkende Valuev bestimmt den Kampf aus der Ringmitte, sucht sein Ziel, sucht es oft vergeblich. Holyfield tänzelt wie einst Ali, wartet auf den einen Schlag. Haarscharf zischen seine Fäuste am Kinn des Russen vorbei. Die Sensation ist greifbar. Die Fans stehen. Valuev ist sichtlich überrascht von der Beweglichkeit. Muss umdenken. Ab Runde sechs nimmt er den Kampf in die Fäuste. Holyfield bleibt gefährlich, wird aber etwas langsamer. Kann er das schaffen? Zum fünften Mal Weltmeister werden? Er kann, immer noch. Der Amerikaner trifft, weckt damit aber den schlafenden Riesen endgültig. In Runde acht dreht der Russe den Kampf. Zeigt, dass er richtig gut geworden ist. Dass er seine Masse endlich auch mit Rasse vereint. Holyfields Fäuste lahmen. Er bleibt gefährlich.
Am Ende fehlt wenig zur Sensation. Holyfield glaubt bis zum letzten Gong an seinen Sieg. Er hat sich mit diesem Kampf zum Idol einer Generation ohne Verfallsdatum gemacht. Er könnte jetzt stolz in Rente gehen. Einen besseren Eindruck wird er nie mehr machen. Im Hallenstadion war er der König der Herzen.
Nach dem Ende des Kampfes umarmen sich die beiden. Eine seltsame Intimität zweier, die sich erst vor drei Wochen erstmals begegnet sind. Nur im Boxen hat man dieses Ritual, den Geruch und Geschmack des anderen - nach so einem Duell. Das ist das Poetische an diesem Sport, das Faszinierende.
Für Weltmeister Valuev war die Geste eine Respektsbezeugung für sein einstiges Vorbild. Der Weltmeister musste diesen Kampf gegen den 46-Jährigen nicht nur gewinnen, er musste ihn überzeugend gewinnen. Das hat er nicht getan. Und hat trotzdem einen guten Eindruck hinterlassen. So gut, dass es auch für einen der Klitschko-Brüder nicht einfach wird, diesen Koloss zu besiegen. Valuev hat defintiv mehr zu bieten als seine aufsehenerregenden Körpermasse.

Erschienen im Sonntagsblick vom 21. Dezember 2008 / Patrick Mäder

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